Japan Teil 1: Ein Mann mit Tränen in den Augen

Tag 1 unserer Japanreise: Nebel über den Feldern, Vulkanerde unter den Füßen – und ein Mann, der beim Sprechen über Tee in Tränen ausbricht. Was wir auf der Nishi-Farm erlebt haben, war mehr als ein Betriebsbesuch.
Eigentlich hatten wir nur mit einem Routinebesuch gerechnet. Ein paar Bilder von sattgrünen Teefeldern, interessante Fakten über Matcha und Bio-Anbau – nichts, was wir nicht schon kannten. Doch als wir an diesem frühen Morgen durch den Nebel von Kirishima fuhren, ahnten wir noch nicht, dass uns dieser Tag nachhaltig verändern würde.
Wir standen mitten in Kagoshima, Japans größter Bio-Tee-Region. Umgeben von zwei Vulkanen und von fruchtbaren Böden genährt, liegt hier die Farm von Herrn Nishi – einem Mann, der seit über zwanzig Jahren als stiller Pionier gilt. Er war einer der ersten, der Matcha exportierte, lange bevor daraus ein weltweiter Trend wurde. Trotz seiner beeindruckenden Erfolgsgeschichte bleibt er lieber im Hintergrund. Keine großen Schlagzeilen, keine Presse.
Doch an diesem Tag machte er für uns eine Ausnahme – und öffnete eine Tür, die nur selten offensteht.
Die Geschichte hinter der Farm
Die Wurzeln der Teeplantage reichen drei Generationen zurück. Der Großvater begann noch damit, Blätter zuzukaufen. Der Vater, ein wissenschaftlich denkender Visionär, sah früh die Zukunft im biologischen und biodynamischen Anbau. Er entwickelte eigene Dünger aus organischen Abfällen wie Soja, Fisch und Lebensmitteln – alles im Sinne eines gesunden Kreislaufs. Sein Ziel: robustere Pflanzen, bessere Böden und das unvergleichliche Umami-Aroma, für das Nishis Tee heute berühmt ist.

Ein bewegender Moment
Als Herr Nishi von seinem Vater sprach, wurde es plötzlich sehr still. Er stockte, seine Stimme zitterte, und dann hatte er tatsächlich Tränen in den Augen. In Japan ist es ungewöhnlich, Gefühle offen zu zeigen. Doch hier standen wir, Zeugen eines tief emotionalen Moments: „Mein Vater wollte nie, dass Tee bloß ein Geschäft wird. Tee ist für uns Verantwortung und Frieden.“
Tee, der Haltung zeigt
Diese Haltung zeigt sich auch in der Anbaupraxis. Obwohl Matcha lukrativer wäre, hält Herr Nishi konsequent die Balance: 60 Prozent seiner Felder sind für Tencha reserviert, das kostbare Rohmaterial für Matcha. Die restlichen 40 Prozent widmet er bewusst Blatttees wie Shincha. Schädlingsbalance statt Chemie, umgebende Wälder statt Monokultur – Nachhaltigkeit in ihrer reinsten Form.
Ernte in letzter Minute
An diesem jenen Tag im April, einem der wichtigsten Tage im Jahr, durften wir spontan mit zur ersten Ernte. Genau zwei Stunden, nachdem die silbernen Netze über den Tencha-Feldern entfernt wurden, mussten die Blätter geerntet sein, um ihre wertvollen Inhaltsstoffe zu bewahren. Zwischen dampfenden Teesträuchern, mit Händen voller frischer Blätter, spürten wir hautnah, was Sorgfalt und Achtsamkeit bedeuten.
Was wir gelernt haben
Der meistkonsumierte Tee Japans ist heute ein schnell gerösteter Tee in PET-Flaschen. Doch das, was wir an diesem Tag erlebt haben, war etwas völlig anderes. Es ging nicht nur um Tee – sondern um eine Haltung, eine Lebensphilosophie.
Wir kamen nach Kirishima auf der Suche nach einer guten Geschichte über Tee. Und gingen mit einer Lektion fürs Leben.



















